Generation XYZ – Mehr als nur plumpe Stereotypen?
Seit Jahren geistern verschiedene Konzepte zu Generationen durch Marketingabteilungen, Twitter-Gemeinden oder Feullitons mit Deutungsanspruch. Fest steht dabei, dass vor allem Marketingtrends, Produktinnovationen und die Arbeitsbedingungen in Unternehmen stets den Bedürfnissen der neusten Generation unterworfen werden müssen, um weiterhin Erfolg im Markt zu haben. Dabei hat sich eine Vielzahl von verschiedenen Labeln entwickelt: Baby Boomer Generation, Generation X, 68er Generation, Generation Y, Generation Z, Millenials, Generation Praktikum, die TV Generation, usw. Das neuste Konzept ist die Generation C, Generation Corona oder Generation Reset, welche wahlweise besonders depressiv ist, unter Angst- und Essstörungen leidet oder den Wiederaufbau nach Corona als große Korrektur der bisherigen Irrwege mit mehr Qualität statt Quantität maßgeblich vorantreibt. Schon auf den ersten Blick erscheint das Generationenkonzept also eher vage und widersprüchlich. Was steckt also dahinter?
Dies zeigt, dass im Kern der Theorie eine Tautologie besteht: Kultur wird durch Generationen geschaffen und Generationen schaffen Kultur. Damit ist das Konzept kaum empirisch falsifizierbar – besonders da Karl Mannheim die Theorie auch als Kritik am absoluten und objektiven Zeitverständnis formuliert hat, welches Generationen strikt nach einer quantitativen Zahl definiert. Dennoch wird das Konzept heute genauso angewendet, in dem verschiedene Geburtenjahrgänge uniform einer bestimmten Generation zugeordnet werden – ohne Berücksichtigung, ob einzelne Individuen die potenziell formativen Erlebnisse überhaupt miterlebt oder wahrgenommen haben.
So fehlt bis heute nicht nur jegliche quantitative Bestätigung der Theorie in der Wissenschaft, sondern es existiert ein Dschungel von verschiedenen Labeln für Generationen mit inkonsistenten Definitionen von Altersjahrgängen, die teilweise für die gleiche Generation um bis zu 10 Jahre voneinander abweichen. Zusätzlich erschwerend sind interkulturelle Differenzen und Inkonsistenzen: In Israel werden Generationen nach den Kriegen definiert, in Griechenland nach sozioökonomischen Ereignissen und in China nach zeitlichen Dekaden. Um dieser Komplexität aus dem Weg zu gehen werden leider oft die bekanntesten Konzepte aus der amerikanischen Gesellschaft (Baby Boomer, Gen X, Y and Z) auch für andere Länder benutzt, obwohl die jeweiligen Geburtenjahrgänge einen völlig anderen Erfahrungshorizont hatten als ihre amerikanischen Gegenstücke. Die Inkonsistenzen und Widersprüche hören aber nicht bei der Zuteilung zu den Generationen auf, sondern setzen sich bei der Beschreibung der definierenden Attribute der Generationen fort.
So veröffentlicht eine große Zahl von „Gen-Experts“, Instituten, Agenturen und Beratungen Beschreibungen, Charakterisierungen oder Empfehlungen zum Umgang mit den Generationen. Die Millenials oder Generation Y werden so wahlweise äußerst positiv (Howe and Strauss: Millennials Rising: The Next Great Generation) oder eher negativ beschrieben (Tulgan: Not Everyone Gets a Trophy: How to Manage Generation Y)Lange wurden z.B. die Millenials als äußerst urban, skeptisch gegenüber traditionellen Familienmodellen und besonders affin für Carsharing beschrieben. Aktuelle Statistiken weisen aber aus, dass Millenials in die Vorstädte und auf das Land ziehen, Autos und Häuser kaufen und Familien gründen. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass Millenials aktuell in einem Alter sind, in welchem sie Familien gründen und sesshaft werden. Das vermeintliche gemeinsame Bewusstsein der Millenials-Generation kann die Verhaltensweisen also nicht erklären, sondern ausschließlich das Alter und der Kontext. Wer sich ausführlich mit den Generationen-Labeln beschäftigt, wird noch eine Vielzahl weiterer Widersprüche, Inkonsistenzen und Logikfehler finden. Es lässt sich schnell feststellen, dass das Konzept der Generationen weder evidenzbasiert ist, noch einen großen Mehrwert bietet – wenn man nicht selbst ein „Gen-Expert*in“ ist oder eine entsprechende Agentur betreibt.
Im Kern sind diese Konzepte und Beschreibungen lediglich sozial akzeptierte Klischees und Stereotypen, welche bestimmte Altersgruppen diskriminieren und durch das ständige Wiederholen in Medien und Kultur weiter normalisiert und verbreitet werden. Deshalb plädieren wir von the savvy company dafür, sich von diesem irreführenden Schubladendenken zu lösen und den Menschen wirklich als einzigartiges Individuum zu begreifen.
Sowohl unsere quantitativen Analysen als auch qualitativen Forschungsprojekte basieren immer auf den Bedürfnissen der einzelnen Menschen und sind weitestgehend losgelöst von soziodemographischen Merkmalen. Denn auf einer evidenzbasierten Bedürfnisanalyse lässt sich nicht nur das aktuelle Verhalten der Menschen deutlich zuverlässiger und genauer erklären, sondern auch zukünftiges Verhalten deutlich sicherer prognostizieren. Dieses Wissen ist der Schlüssel für ein nachhaltiges Wachstum im Markt!